In kleinen Schritten zum ersten Job
VABW und Berufkolleg unterstützen 35 junge Menschen, sich auf dem Arbeitsmarkt zurechtzufinden
Von Patrick Nowicki
Eschweiler Wer sich mit einem Zeugnis voller Fünfen und Sechsen bewirbt oder keinen Schulabschluss vorweisen kann, der fällt auf dem Arbeitsmarkt schnell durchs Raster. Dass diese jungen Leute aber durchaus Fähigkeiten mitbringen, die sie für Arbeitgeber interessant machen, weiß man vor allem beim VABW (Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung). An der Eichendorffstraße werden 35 junge Menschen dabei unterstützt, eine Ausbildungsstelle zu ergattern.
Es passt zur Tradition des Betongebäudes, denn seit Jahrzehnten wird dort unterrichtet. Es diente zunächst als Hauptschule, später bis Mitte der 90er Jahre als Nebengebäude des Städtischen Gymnasiums. Inzwischen bereiten sich dort junge Leute auf den Berufsalltag in drei Bereichen vor: Lager/Handel, Metall sowie Farbe. Dass die Teilnehmer der Maßnahme, die von der Bundesagentur für Arbeit finanziert wird, anschließend ihren Traumberuf in einem dieser drei Felder finden, ist nicht zwingend. „Die jungen Leute haben keinen Schulabschluss, wollen aber Raumfahrer werden und dies am besten in Eschweiler“, schildert Jürgen Hoffmann die zu hohe Erwartungshaltung mancher seiner Schützlinge.
Vielfältige Probleme
Hoffmann ist für den Bereich Metall an der Eichendorffstraße zuständig und blickt selbst auf eine lange Berufserfahrung zurück. Diese kommt ihm in der Arbeit mit den jungen Teilnehmern entgegen. Zwischen 17 und 25 Jahre sind sie alt und haben sich bisher damit schwer getan, eine Ausbildungsstelle zu finden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Deswegen sind die VABW-Anleiter froh, lediglich kleine Gruppen zu betreuen. „Dies ermöglicht uns, auch individuell auf Teilnehmer eingehen zu können“, schildert Bildungsbegleiter Detlef Gützloe. Das Angebot ist niederschwellig, soll die jungen Leute vielfach an einen geregelten Alltag gewöhnen. „Was für uns selbstverständlich scheint, ist für sie nicht selbstverständlich“, sagt Hoffmann und zählt einige Dinge auf: ein gemeinsames Frühstück mit der Familie, eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Zukunft, selbst solch grundlegende Dinge wie Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit. Im Sommer unternahm man eine gemeinsame Fahrt in die Eifel. „Die Bootsfahrt auf dem Rursee ist etwas ganz Besonderes für die Teilnehmer gewesen“, meint Gützloe.
„Die jungen Leute haben keinen Schulabschluss, wollen aber Raumfahrer werden und dies am besten in Eschweiler.“
Jürgen Hoffmann, VABW
Die jungen Leute zu motivieren und zu begeistern, erfordert viel Geduld und Fingerspitzengefühl. „Wir können alle möglichen Hilfen anbieten, aber letztlich müssen die Teilnehmer ihren Weg selbst beschreiten und selbst ihre Zukunft in die Hand nehmen“, fordert Barbara Dohmen, Berufberaterin der Bundesagentur für Arbeit, Eigeninitiative. Die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme dauert zehn Monate. Diese Zeit ist unterteilt in eine einmonatige Eignungsanalyse, eine vier Monate umfassende Grundstufe und schließlich in eine fünf Monate dauernde Übergangsqualifizierung. Etwa die Hälfte der Teilnehmer schafft es schließlich in eine Ausbildung. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der andere Teil durchs Sieb fällt. Im Gegenteil: „Es kommt auch vor, dass anschließend ein weiterer Schulbesuch, sogar ein Studium, ein langfristiges Praktikum oder ein Freiwilliges Soziales Jahr anstehen.“ Die Zahl derer, die letztlich dauerhaft ohne Perspektive blieben, nennt sie „marginal“.
Das Eschweiler Berufskolleg sitzt bei der Maßnahme mit im Boot. Zwei Mal in der Woche besuchen die Teilnehmer die Berufsvorbereitungsklasse der Schule. Dort gibt man ihnen die Möglichkeit, einen Schulabschluss zu erreichen. Die beiden Lehrer Nina Schnitzler und Walter Lehmann wissen, dass ein Unterricht streng nach Lehrplan und sturem Leistungsgedanken die jungen Menschen schlicht überfordert. Neben Mathematik und mehr werden auch Sozialkompetenzen gefördert. „Der Austausch mit uns als Maßnahmenträger ist sehr fruchtbar und intensiv“, lobt Detlef Gützloe. Eine solch enge Zusammenarbeit sei nicht selbstverständlich und basiere auf dem Engagement der handelnden Personen. Die gegenseitige Wertschätzung wird nun auch mit einem Bild sichtbar, dass die Malergruppe gestaltet hat und dem Berufskolleg zum 150-jährigen Bestehen schenkt.
Nicht alle Teilnehmer der Maßnahme sind Personen ohne Schulabschluss, sogar ein Fachabitur konnte jemand nachweisen. Dann sind es andere Hinderungsgründe, die Arbeitgeber von einer Anstellung abschrecken. „Irgendwie sind wir alle hier Sozialarbeiter“, sagt VABW-Sozialarbeiterin Andrea Idzakovic. Sie ist die offizielle Ansprechpartnerin und auch Vertrauensperson bei Problemen – vor allem für junge Frauen in der Maßnahme. Die drei Anleiter – neben Hoffmann sind das Christian Müller (Maler) und Ferdinand Tirok (Lager und Handel) – sehen sich selbst allerdings auch in einer Art „Vaterrolle“. „Man entwickelt ein Gespür dafür, wer eine festere Handhabe benötigt und wen man positiv unterstützen muss“, berichtet Tirok. Letztlich gehe es jedoch vor allem um Wertschätzung. „Diese haben unsere Teilnehmer oft nicht erfahren“, sagt er. Auch darum beschränkt er sich in seinem Bereich Lager und Handel nicht nur auf klassische Arbeiten am Computer, sondern trainiert auch die Selbstständigkeit und das Auftreten der Teilnehmer.
Die mühselige Arbeit in der Maßnahme mündet nicht immer in einer Erfolgsgeschichte. Manche Entwicklung überrascht allerdings auch die erfahrenen Anleiter. „In einem Fall hatten wir sogar Tränen in den Augen, weil es im richtigen Moment bei dem Teilnehmer Klick gemacht hat – womit wir alle nicht gerechnet haben“, erinnert sich Tirok. Der junge Mann konnte in ein Praktikum bei einer Möbelspedition vermittelt werden und war zuvor allenfalls mit Unpünktlichkeit und Lustlosigkeit aufgefallen. Als sich der Arbeitgeber jedoch auch nach zwei Wochen nicht meldete, hörte der VABW nach. Siehe da: „Man teilte uns mit, dass alles bestens war“, erinnert sich auch Hoffmann an den jungen Mann.
Erfolgserlebnisse
In einem anderen Fall konnte man einen Teilnehmer in eine Ausbildung zum Mechatroniker für Nutzfahrzeuge vermitteln. „Sein Schulzeugnis war voller Fünfen und Sechsen, der hätte also niemals eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bekommen“, teilt Tirok mit. Der junge Mann hat seinen späteren Arbeitgeber allerdings bei einem Praktikum überzeugt. Dies ist natürlich der ideale Weg. Es sind aber solche Geschichten, die auch die VABW-Mitarbeiter zusätzlich motivieren.
Auch wenn alle Seiten das Miteinander und die Arbeit mit den jungen Menschen positiv herausstellen, so ist die Zukunft an der Eichendorffstraße auch bei den Anleitern nicht gesichert. Spätestens alle drei Jahre wird die Maßnahme öffentlich ausgeschrieben und vergeben. Letztlich wird die Entscheidung nach wirtschaftlichen und nicht nach bisherigen Erfahrungswerten getroffen. Mitte kommenden Jahres ist dies wieder der Fall. Dann entscheidet sich, ob der VABW dabei bleibt.