Jobperspektive - Neue Chance für Arbeitslose
"Es ist cool hier!" Neue Ansätze für die Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit
Bereits nach vier Monaten kann das PerspektivCentrum für den Nordkreis in Alsdorf beachtliche Erfolge vorweisen.
Super Sonntag - Region/Alsdorf
„Das war eine gute Idee von meinem Betreuer beim Jobcenter, mich hierher zu schicken! Es ist cool, die Arbeit macht Spaß und ich bin überrascht, wie abwechslungsreich wir hier für kleines Geld kochen. Ich glaube, die meisten Kantinenbesucher bekommen schlechteres Essen!“ Es sprudelt nur so aus Alexander F., als er gefragt wird, wie er denn seine „Heranführung an den Arbeitsmarkt“ in der Küche des PerspektivCentrums für den Nordkreis in Alsdorf findet. Solche Worte hört man nicht oft von einem jungen Menschen, der eine Beschäftigungsmaßnahme durchläuft.
„Maßnahmenmüde“
Viele von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene sind „maßnahmenmüde“ geworden. Entsprechend erfreut sehen die Vertreter von Jobcenter und VabW (Verein für allgemeine und berufliche Weiterbildung) aus, die das vor vier Monaten an den Start gegangene Förderzentrum als eines von insgesamt fünf Zentren dieser Art in der Städteregion installiert haben und betreiben. Je Halbjahr sollen alleine in Alsdorf etwa 140 Kunden zielgerichtet und individuell gefördert werden. Doch was unterscheidet dieses Angebot zur beruflichen Qualifizierung von anderen? „Die Förderketten, die früher in einzelnen Maßnahmen absolviert wurden, können jetzt unter einem Dach zur Verfügung gestellt werden“, erklärt VabW-Geschäftsführer Frank Numan. „Das Angebotsportfolio des Jobcenters wird für die Kunden übersichtlicher ausgestaltet“, ergänzt Stefan Graaf, Geschäftsführer des Jobcenters der Städteregion, das den VABW mit der Durchführung beauftragt hat. „Mit den kurzen Wegen und der intensiven Zusammenarbeit von Kunden, Träger und Jobcenter versprechen wir uns gute Integrationserfolge!“
Im PerspektivCentrum spielt es keine Rolle, ob die Teilnehmer dem Arbeitsmarkt nah oder fern sind. Neben Kenntnisvermittlungen in den Arbeitsbereichen Verkauf/Handel, Hotel- und Gaststättengewerbe, Lager/Logistik, Farbe/Raumgestaltung oder Pflege können Zertifizierungen erworben werden, die für die Aufnahme einer Beschäftigung dienlich sind. So haben zum Beispiel von den zehn Lager- und Logistikteilnehmern drei am Vortag ihre Gabelstaplerschulung abgeschlossen. Einer macht gerade ein Praktikum und hat gute Aussichten auf eine anschließende Übernahme. Auf dem ersten Arbeitsmarkt. Ein Idealfall! Und das, obwohl das Durchschnittsalter der Teilnehmer in dieser Gruppe bei 42 Jahren liegt.
Tatsächlich kann Projektleiterin Julia Peters schon von beachtlichen Erfolgen berichten, obwohl das PerspektivCentrum ja noch taufrisch ist und der auf sechs Monate angelegte Maßnahmenzeitlauf – der individuell variieren kann - noch gar nicht von allen abgeschlossen werden konnte. „Wir haben bereits 18 Teilnehmer in sozialversicherungspflichtige Jobs vermittelt, elf davon in Vollzeit!“ Der Fachkräftemangel sorge dafür, dass Arbeitgeber aufgeschlossener seien und auch Kandidaten eine Chance gäben, die es vor drei oder vier Jahren noch sehr schwer gehabt hätten.
Sehr heterogen
Nicht nur die Altersstruktur, sondern auch die beruflichen Vorerfahrungen, die Motivation und das Bildungslevel der Teilnehmer sind sehr heterogen. Viele haben „multiple Vermittlungshemmnisse“, wie es im Jargon des Jobcenters heißt. Für manche geht es schon darum, wieder in so etwas wie einen Alltag mit Strukturen reinzukommen. Sie sind das Aufstehen schlicht nicht mehr gewöhnt. Im Jobcenter können sie sich ausprobieren, Kompetenzen in praxisnahem Arbeiten erlernen und neue Wege beschreiten. „Viele stellen überrascht fest, dass ihnen Arbeitsbereiche Spaß machen, die sie vorher gar nicht auf dem Schirm hatten“, sagt die VABW-Gruppenleiterin der Erwachsenenbildung, Simone Steudel.
Ein ganz wichtiger Baustein der Maßnahme ist die betriebliche Erprobung unter Realbedingungen während des vierwöchigen Praktikums, das in manchen Fällen ein Türöffner sein kann. „Wer hier überzeugt, kann schlechte Zeugnisse, fehlende Abschlüsse oder ungerade Lebensläufe unter Umständen kompensieren und den Arbeitgeber von sich überzeugen“, sagt Julia Peters. Wie groß die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist, zeige sich daran, dass ein großes Unternehmen wie die DHL schon auf sie zugekommen sei und Interesse an den „Absolventen“ des Bereichs Lager und Logistik bekundet habe.
Bei allen Projektverantwortlichen und -beteiligten wird deutlich, dass sie große Hoffnungen in das neue Förderzentrum setzen. „Ich bin sehr froh, dass uns dieses Projekt an die Hand gegeben wurde. Wir können den Kunden dieses Angebot besser vermitteln und geben sie gerne in die Obhut des VabW, wo sie bestens betreut werden“, bringt es Heidi Haase auf den Punkt. Die Arbeitsvermittlerin beim Jobcenter Kohlscheid betreut ihre Kunden auch vor Ort. Zweimal in der Woche kommt sie nach Alsdorf und will damit zeigen, dass das Jobcenter hinter den Teilnehmern steht und sie nicht alleine lässt. Gleiches gilt natürlich auch für ihre Kollegen, die ebenfalls in das Projekt eingebunden ist.
Nachbetreuung
Auch eine Nachbetreuung von einem halben Jahr wird bei Bedarf gewährt. „Durch die engmaschige Betreuung werden die Arbeitssuchenden in ihrer Lebenssituation begleitet. Gemeinsam entwickeln wir passgenaue Strategien, um die persönliche Problemlage des Teilnehmers zu erkennen und aufzulösen“, fasst Heidi Haase zusammen.
Um die Zukunft von Alexander F. macht sich niemand Sorgen. Er hat in der Kochgruppe schon so etwas wie die Rolle eines zweiten Anleiters übernommen. „Kochst du oft?“ fragt ihn ein anderer Teilnehmer beeindruckt, als der Endzwanziger mit professionellem Geschick ein Gericht aufsetzt. „Jeden Tag!“ erwidert der junge Mann, der jeden Morgen um 6 Uhr eine Trainingseinheit absolviert und sich seit einem halben Jahr ketogen ernährt. In der kommenden Woche steht eines seiner Rezepte im PerspektivCentrum auf dem Speiseplan: Blumenkohlreis mit Brokkoli, gebratenem Hähnchen und Erdnusssoße.
„Der Reis ist aber kein Reis, sondern Blumenkohl“, verrät Alexander F. und erntet (noch) skeptische Blicke. Wohin die berufliche Reise gehen soll, weiß er ziemlich genau: Fitness- und Ernährungsberater wäre sein Traumjob. Vor ein paar Jahren war er schonmal auf einem guten Weg. Alexander F. hatte eine Kochlehre in einem bekannten Restaurant begonnen. Doch dann durchkreuzte eine Krankheit seine Pläne und warf ihn vorübergehend aus der Bahn. Jetzt hat er sie und sich wieder im Griff. „Man kann nicht ewig zu Hause rumsitzen. Das ging mir selber auf die Nerven!“ Zustimmendes Kopfnicken. Dieser Kandidat dürfte sicher schnell vermittelt werden.(loev)