TEP - So funktioniert Ausbildung in Teilzeit
So funktioniert Ausbildung in Teilzeit Der Fachkräftemangel ist deutlich spürbar. Deshalb reagiert das Land NRW mit einem besonderen Förderprogramm.
AACHEN „Wenn der Wille da ist, dann schafft man das“, sagt Yawa Awunyo. 2015 hat die heute 38-Jährige ihre Teilzeitberufsausbildung zur Medizinischen Fachangestellten in einer Dürener Praxis begonnen. Damals sprach die Togolesin kaum Deutsch, sie wurde mit ihrem dritten Kind schwanger und kurz vor der Abschlussprüfung trennte sie sich von ihrem Partner.
„Das war eine harte Zeit“, erzählt sie rückblickend. Regelmäßig sei sie um drei Uhr nachts aufgestanden, um für die Schule zu lernen, während ihre Kinder schliefen. „Ich bin nicht dafür gemacht, nicht zu arbeiten“, betont Awunyo, die nach ihrer Teilzeitausbildung von ihrer Chefin übernommen wurde. Heute arbeitet sie in einer Allgemeinmedizinischen Praxis in Aachen.
Unterstützung fand Awunyo im Programm „Teilzeitberufsausbildung – Einstieg begleiten – Perspektiven öffnen“ (TEP), das vom Land NRW aufgelegt wurde, um den Teilnehmern den Übergang in eine Teilzeitausbildung zu erleichtern. „Diese Möglichkeiten werden noch viel zu wenig genutzt“, berichtet Katja Heßeler, die bei der Regionalagentur Region Aachen die Teilzeitberufsausbildung sowie die TEP-Gruppen in der Region koordiniert. „Die Teilzeitausbildung kann ein Türöffner sein. Sie bietet Bewerbern die Chance, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.“ Das gelte vor allem für junge Mütter, Alleinerziehende oder auch für Menschen, die Angehörige pflegen.
Schon mehr als 6000 Teilnehmer
In den begleitenden TEP-Gruppen werden die Teilnehmer vorab gecoacht und qualifiziert, erhalten Unterstützung bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz und werden in den ersten Monaten nach Ausbildungsbeginn begleitet. Bis zu 540 Plätze stehen im Rahmen der Förderlinie jährlich bereit und werden von derzeit 42 Bildungsträgern angeboten. „Über 6300 Teilnehmende konnten mit Hilfe von TEP bislang auf dem Weg in Ausbildung und Arbeit unterstützt und begleitet werden“, so Heßeler.
Mit Erfolg: „Wer alleinerziehend ist, hat gelernt, was Verantwortung bedeutet“, sagt Ralf Hirsch. Der Aachener Orthopäde bietet in seinem Betrieb seit sieben Jahren die Möglichkeit der Teilzeitausbildung an, weil er kaum geeignete Lehrlinge findet. „Es gibt viele junge Frauen, die stark und organisiert sind. Wenn man diese fördert, gehen sie ihren Weg – und davon profitiert auch der Betrieb.“
Zwei Orthopädieschuhmacherinnen hat er nach einer vierjährigen Teilzeitberufsausbildung bereits übernommen. Eine von ihnen, erzählt Hirsch, leitet mittlerweile sogar die Werkstatt der Orthopädie. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Motivation junger Mütter häufig besonders hoch ist“, resümiert er.
Arbeitszeiten werden angepasst
Bei einer Teilzeitberufsausbildung wird die tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit im Betrieb reduziert und kann an die betrieblichen Abläufe angepasst werden. Gleichzeitig trägt der Betrieb geringere Ausbildungskosten. „Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel, der auf uns zu rollt, müssen Betriebe die Bewerbergruppe junger Mütter oder Väter stärker ins Visier nehmen. Hier liegt ungenutztes Potenzial“, bekräftigt Waltraud Gräfen, die bei der Industrie- und Handelskammer Aachen für die Teilzeitberufsausbildung zuständig ist. Die Gewinnung von Personal werde in Zukunft auch davon abhängen, inwieweit es möglich ist, Beruf und Privatleben zufriedenstellend zu verbinden. „Das ist eine soziale Komponente eines Ausbildungsangebotes, die ein Betrieb auch zur Werbung nutzen kann.“
Was zählt, ist der Wille
Bisher bildet unter ein Prozent der Ausbildungsbetriebe im Kammerbezirk in Teilzeit aus: „Von knapp 11.000 Ausbildungsverhältnissen sind das weniger als hundert Teilzeitverträge“, rechnet Gräfen vor. Aber, und das sei die gute Nachricht: Sie habe noch nie von einem Betrieb gehört, der Teilzeit angeboten habe und das in Zukunft nicht mehr machen würde. „Häufig wird die Teilzeitregelung dann vereinbart, wenn Auszubildende schwanger werden und die Ausbildung nach der Geburt in Teilzeit abschließen wollen. In diesen Fällen ist das selten ein Problem, weil der Betrieb die Auszubildende kennt. Wenn sich aber jemand auf einen Ausbildungsplatz in Teilzeit bewirbt, dann ist das oft mit Vorbehalten verbunden.“
Diese Hemmschwelle gelte es zu durchbrechen. Natürlich werden die Kinder auch mal krank, räumt Gräfen ein. Damit müssten die Betriebe rechnen. „Aber so flexibel muss man heute sein“, sagt sie. Die Vorteile würden schließlich überwiegen: „Diese Gruppe bringt Verantwortungsbewusstsein sowie Organisationskompetenzen mit und hat eine hohe Motivation, weil das in der Regel diejenigen sind, die ein Versäumnis nachholen möchten und auf den Arbeitsmarkt wollen.“
Der Einstieg ins TEP-Programm ist laufend möglich. Zwei freie Plätze gibt es derzeit in der Städteregion Aachen, sechs beispielsweise im Kreis Düren. „Ich kann das Programm jedem empfehlen“, sagt Yawa Awunyo. „Vor allem Müttern, die sich eine Ausbildung nicht zutrauen, weil sie die Sprache nicht beherrschen.“ Das Einzige, das wirklich zähle, sei der Wille.
TEP-Gruppen in der Region
Städteregion Aachen: Sozialwerk Aachener Christen, Dragica Philipp (Tel. 0241/47493576), Karin Wieder (Tel. 0241/47493755).
Nordkreis der Städteregion Aachen: VabW, Lena Peglow (Tel. 02404/5506-45).
Kreis Düren: low-tec gemeinnützige Arbeitsmarktförderungsgesellschaft Düren, Marion Klein-Bojanowski (Tel. 02421/4036-49).
Kreis Heinsberg: TBZ Meuser GmbH & Co. KG, Christiane Vonderkall (Tel. 02431/94346-00).